Eine gut strukturierte Altersvorsorge sollte heute auch Aktienfondsanteile enthalten – darüber besteht weitgehend Einigkeit. Doch eine aktuelle Studie des Fondsverbands BVI sorgt für Diskussionen. Die Verbände GDV und BVI streiten sich öffentlich aufs Schärfste. Die Studie besagt, dass Fondsentnahmepläne, die in der Studie als „Fondsrenten“ bezeichnet werden, eine sichere Form der Altersvorsorge darstellen.
Die Kernthese der Studie
Die Studie belegt, dass man durch monatliche Entnahmen aus dem Fondsguthaben in Höhe einer lebenslang garantierten Rente in über 95 Prozent der Fälle bis zum Lebensende auskommen kann. Oft bleibt sogar etwas Geld zum Vererben übrig. Dass ein Investmentdepot mit einem Entnahmeplan gleichwertig zu einer Versicherungslösung ist und in manchen Fällen sogar Vorteile bieten kann, ist nicht verwunderlich – schließlich haben alle Akteure denselben Markt zur Verfügung.
Unterschied: Wer ein Investmentdepot besitzt, hat den flexiblen Zugang zum gesamten Markt aller Anlageklassen. Für Versicherungen im klassischen Anlagebestand gilt jedoch eine Einschränkung. Ihr Aktienanteil ist durch das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) sowie spezifische Vorschriften der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) begrenzt. Derzeit dürfen deutsche Lebensversicherungen maximal etwa 35 % ihres gebundenen Vermögens (Sicherungsvermögen) in Aktien investieren. Diese Obergrenze ist nicht fest und kann an die Risikostruktur des jeweiligen Portfolios angepasst werden. In der Praxis bleibt der tatsächliche Aktienanteil jedoch oft unter 10 %, da viele Versicherer aufgrund der strengen Solvency-II-Richtlinien und der Garantieverpflichtungen eine konservative Anlagestrategie verfolgen.
Kritische Stimmen (der Versicherungslobby)
Allerdings gibt es heftige Kritik an den Berechnungen. Sowohl der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) als auch das Institut für Finanz- und Aktuarwissenschaften (ifa) haben die Annahmen als „vollkommen unplausibel“ bezeichnet. Besonders kritisiert wird die angenommene jährliche Rendite von 6 Prozent, obwohl der betrachtete Musterfonds nur 30 Prozent Aktien und 70 Prozent Rentenpapiere enthält. Zudem würden das Performancerisiko und das Langlebigkeitsrisiko nicht ausreichend berücksichtigt.
Die Situation der Lebensversicherer
Die Lage für Lebensversicherer ist angespannt: Die Generation Lebensversicherung geht in Rente, und die Versicherungen verlieren viel von ihrem verwalteten Kapital. Das Angebot der Versicherungswirtschaft ist eine sofort beginnende Rentenversicherung, welche lebenslang eine sichere, monatliche Rente auszahlt. Informierte Kunden erkennen, dass sie am Markt oft höhere Renditen erzielen können, als die, die eine Versicherung in Form einer monatlichen Rente bietet. Viele treffen deshalb die Entscheidung, ihre Rente nicht über eine Versicherung zu beziehen. Sie ziehen einen Entnahmeplan aus Investmentfonds vor.
Langlebigkeitsrisiko
Für 2019 Geborene liegt die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland bei Frauen bei 83,5 Jahren und bei Männern bei 78,7 Jahren. Ein Lebensalter von 100 Jahren und mehr zu erreichen, stellt ihr persönliches Langlebigkeitsrisiko dar – ein Risiko, welches das einzig verbleibende Argument der Versicherer ist.
Man kann also versuchen, den verbleibenden Jahren mehr Leben zu geben oder dem Leben rechnerisch mehr Tage hinzuzufügen. Es ist jedoch kein Geheimnis, dass man ein Investmentdepot verantwortungsvoll und so gestalten kann, dass es auch bis ins hohe Alter von 100 Jahren und länger reicht.
Rentengarantiezeit und deren Konsequenzen
In vielen Rentenversicherungsverträgen ist eine Rentengarantiezeit enthalten. Stirbt die versicherte Person nach 10 oder 15 Jahren, verfällt das beachtliche Restguthaben. Dies führt zu echter Trauer bei den Hinterbliebenen, da das Geld verloren ist. Freie Berater und Verbraucherzentralen warnen schon seit Jahren vor diesem Risiko.
Fondsrente vs. Rentenversicherung
Ein Entnahmeplan/Fondsrente kann viele Langzeitrisiken genauso wie eine klassische Rentenversicherung bewältigen. Während Garantien Geld kosten und somit die Rentenhöhe senken, können Kunden in einem Investmentdepot ihren Aktienanteil individuell anpassen und deutlich höhere Renditen erwirtschaften. Eine bewährte Faustregel besagt: Aktienquote = 100 minus Lebensalter. Bei einer 60-jährigen Person sollte der Aktienanteil also 40 % betragen. Keine Rentenversicherung beinhaltet diese Regel nur ansatzweise, was zu niedrigen Rentenzahlungen führt.
Fazit: Selbstbestimmung und Transparenz
Die Versicherungswirtschaft könnte ihre Angebote in der Rentenphase durch individuelle Aktienanteile attraktiver gestalten. Innerhalb des Versicherungsmantels wären flexibel gestaltbare Entnahmepläne möglich und statt festgelegter Rentengarantiezeiten könnten Erben jederzeit das verbleibende Guthaben ohne Einschränkungen ausgezahlt bekommen. Solche Optionen sind jedoch selten; auf dem aktuellen Markt lassen sich entsprechende Angebote an einer Hand abzählen. Der Fokus liegt leider noch zu oft auf der Maximierung des eigenen Gewinns.
Seit Jahren thematisiere ich das Thema Fondsrenten in meiner Praxis und auf meiner Website. Sollten Sie oder Ihre Eltern bald vor dieser Entscheidung stehen, empfehle ich einen einfachen Test:
1. Nehmen Sie das Kapital, das Sie ausgezahlt bekommen würden.
2. Teilen Sie es durch die versprochene Rente, um herauszufinden, wie viele Monate Sie benötigen, um mit den Rentenzahlungen ohne Verzinsung Ihr Kapital zurückzuerhalten.
3. Teilen Sie diesen Betrag durch zwölf, um die Jahre zu berechnen, die Sie Rente beziehen müssten – oft ist die Lebenserwartung zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen.
Beispiel: 100.000 EUR Kapital ÷ 300,– EUR monatliche Rente = 333 Monate ÷ 12 = 27,8 Jahre
Wenn sie mit 65 Jahren in Rente gehen, müssen sie fast 93 Jahre alt werden, um das einstige Kapital ohne Zinsen ausgezahlt bekommen zu haben.
Zusammenfassend kann gesagt werden: Nur wenn Sie die Anlage in der Rentenphase vollkommen selbst bestimmen können und die Verwaltungskosten im Rahmen bleiben, kann eine Versicherung ihre Vorteile gegenüber einem Depot ausspielen.
Fondsrente und/oder Rentenversicherung: Eine Entscheidung von großer Tragweite. Für viele Menschen ist sie die letzte und damit eine der wichtigsten finanziellen Weichenstellungen ihres Lebens. Nehmen Sie sich die Zeit, die verschiedenen Möglichkeiten sorgfältig zu vergleichen – eine Fehlentscheidung kann fatale Folgen haben. Bei zahlreichen Versicherungstarifen ist Ihre Wahl bindend und später nicht mehr anpassbar. Wenn Sie Wert auf eine echte Anlageberatung legen und eine wirkliche Wahl haben möchten, bin ich gerne für Sie da.
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